Sound­Weather

Ein­führung

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Wetter­berichte ge­hören zu den am häufigsten gehörten Nach­richten­sendungen. Sie sind für die Planung von Aktivi­täten für die nächsten Tage im Freizeit­bereich genauso wichtig, wie für viele gewerb­liche Tätig­keiten. Es ist eben wichtig zu wissen, ob es morgen regnen oder schneien wird, wie stark der Wind weht, oder mit welchen Tempera­turen zu rechnen ist.
Die Vorher­­sage des Pollen­flugs steht im Vergleich zu den oben genannten grund­­sätz­lichen Wetter­daten zwar in der zweiten Reihe, weil er nicht für alle Menschen von grund­­sätzlicher Bedeutung ist; dennoch ist sie ein wertvolles Angebot der Wetter­­dienste. Wie ‚laut‘ es morgen wird, gehört (noch) nicht zum Standard­angebot der Wetter­­dienste. Dabei ist es sicher interessant zu wissen, ob morgen eine besonders günstige (laute) Schall­­aus­­breitungs­­situation vorliegen wird oder gerade nicht. Eine solche Vorhersage ist das so genannte Schall­wetter; eine Voraus­berechnung der Eigen­schaften der Schall­­aus­­breitungs­be­dingungen auf der Basis voraus­gesagter atmo­sphärischer Be­dingungen. Auf einer Wetter­­karte kann das Schall­wetter genauso plakativ dar­gestellt werden wie Tem­­pe­ra­­turen, Be­wölkung oder Nieder­schlag. Dazu werden so genannte Lärm­­rosen ver­wendet.
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Lärmrose

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Das Wort ‚Lärm­rose‘ hat viel mit dem Wort ‚Wind­rose‘ zu tun. Eine Lärm­rose zeigt an, mit welcher Schall­aus­breitung zu rechnen ist:

je roter, desto lauter

je grüner, desto leiser

gelb, irgendwie dazwischen

Die Lärm­rose ist relativ. Sie sagt etwas darüber aus, ob es lauter oder leiser wird als ’normal‘. Als ’normal‘ gilt hier die Schall­aus­breitung ohne Wind- und Temperatur­einfluss. Die hier gezeigte Lärm­rose zeigt an, dass eine Schall­quelle im Osten deutlich besser (rote Bereiche) zu hören sein wird als in den anderen Rich­tungen.
Eine Lärm­rose zeigt winkel- und ab­stands­abhängig die klassierte und entsprechend Farb-codierte Differenz zwischen dem Pegel bei aktueller Wetter­lage und dem Pegel bei neutraler Atmo­sphäre an. Die oben dar­ge­stellte Lärm­rose ist eine rea­lis­tische Situation. Sie ist ‚quell­bezogen‘; d. h., dass sich in ihrem Mittel­punkt die Schall­quelle befindet. In Ver­bindung mit der Farb-Codierung wird deutlich, dass sich die Pegel tat­sächlich drastisch ändern können. In diesem Bei­spiel handelt es sich um eine typische Schall­aus­breitung, die von Wind bestimmt wird: Es herrscht ein West-Wind, der mit der Höhe zunimmt, so dass die Schall­strahlen in Richtung Osten (roter Bereich der Lärm­rose) zum Erd­boden hin gekrümmt werden, während die Schall­strahlen in Rich­tung Westen nach oben, vom Erd­boden weg, gebrochen werden. Dort sind die Pegel sig­nifikant niedriger; das kommt durch den grünen Be­reich in der Lärm­rose zum Aus­druck.
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Schallausbreitung

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Wirkung von Wingradienten (oben) und Temperarturschichtung (unten) auf den Schallstrahlenverlauf
Populäre Vor­stellungen über die Schall­aus­breitung im Freien sind scheinbar plau­sibel: „Mit­wind ist es lauter als bei Gegen­wind.“ oder „Der Schall wird an den Wolken re­flek­tiert.“ Betrach­tet man die Phäno­mene aus phy­si­ka­lischer Sicht, sind diese Aus­sagen nicht richtig. Es wird ‚lauter‘ oder ‚leiser‘ durch die Brechung des Schalls in der Atmo­sphäre: Die Atmo­sphäre wirkt wie eine Linse. Diese Linse kann den Schall noch oben (weg von der Erd­ober­fläche = ‚leiser‘) oder nach unten (wieder zurück zur Erd­ober­fläche = ‚lauter‘) brechen. Ein gleichmäßiger Wind bricht aber nicht; er verändert nur die Trans­port­ge­schwindig­keit des Schall. Eine gleich­mäßig dicke Fenster­scheibe bricht das Licht auch nicht, wenn es senk­recht hin­durch­fällt; das Glas ver­ändert nur die Trans­port­ge­schwindig­keit des Lichts. Erst wenn man Linsen aus Glas schleift, dann fokussiert oder de­fokussiert der Glas­körper das Licht. Erst wenn die Wind­ge­schwindi­keit in ver­schiedenen Höhe zunimmt (Brechung nach unten) oder abnimmt (Brechung nach oben) wirkt die Atmo­sphäre wie eine Schall­linse. Und es ist ja richtig: In der Regel nimmt die Wind­stärke mit der Höhe zu, also ist es mitwind lauter als bei Gegenwind.
Aber nicht nur der Wind macht aus der Atmo­sphäre eine Linse. Auch die Tem­pera­tur kann das. Wenn es mit zu­nehmender Höhe kälter wird, wird der Schall nach oben gebrochen: Es wird leiser wie bei gegenwind. Wenn es mit zu­nehmender Höhe wärmer wird, wird der Schall nach unten gebrochen. Es wird lauter wie bei mitwind. Das Zusammen­spiel aus beiden Phänomenen bestimmt die tat­sächliche Schall­aus­breitung. In schwach­windigen Situa­tionen regiert die Tem­peratur, sonst der Wind. Meistens bilden sie aber eine ‚Koalition‘, die in Abhängig­keit vom Abstand zwischen Quelle und Empfänger das Laut und das Leise bestimmt.

Schallbrechung

Die Schallausbreitung im Freien hängt vom Höhenprofil des Windes und der Temperatur ab. Ein Höhenprofil kennzeichnet stets die Abhängigkeit der Kenngröße von der Höhe über Boden. Das Temperaturprofil gibt also an, wie sich die Temperatur ändert. Das Windprofil hat zwei Komponenten: die Windgeschwindigkeit und die Windrichtung. Beides ändert sich mit der Höhe.

Für eine aktuelle Vorhersage der Schallausbreitung also zur Berechnung der Lärmrose benötigt man deshalb zunächst eine Prognose der beiden Höhenprofile (Wind, Temperatur).

Profilprognose

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Profilprognosen der Meteomedia
Die ‚meteomedia international‘ hat auf unsere Anregung den Dienst „Profil­prognose“ entwickelt. meteomedia inter­national gehört zur Meteo­Group, dem zurzeit größten privaten Anbieter von Wetter­diensten in Europa mit dem dich­testen Mess­netz in Deutsch­land und der Schweiz. Meteomedia liefert die Wetter­berichte in den ARD Sendern und betreibt u. a. die Unwetter­zentrale. Auf der Grundlage zweier kleinmaschiger Wettermodelle werden
  • alle 12 Stunden (um 0 Uhr und um 12 Uhr eines jeden Tages)
  • stunden­spezifisch für die nächsten 48 Stunden
die Profile der
  • Wind­geschwindig­keit
  • Wind­richtung
  • Temperatur
  • Rel. Luft­feuchtig­keit
ge­liefert.
Die obige Ab­bildung zeigt das Wind­profil links und das Tem­pera­tur­profil und das Profil der Luft­feuchtig­keit rechts. Man erkennt eine Wind­drehung und die Zunahme der Wind­stärke in den boden­nahen Schichten. Auch die Tem­peratur nimmt in Boden­nähe zu (so genannte Inversion), die sich aber in größeren Höhen umkehrt. Da der Schall bei kurzen Abständen zwischen Quelle und Em­pfänger nur geringe Höhen erreicht, wirkt die Wind- und Tem­peratur­änderung sehr stark. Bei größeren Ab­ständen erreicht der Schall größere Höhen. Dann ist der Linsen­effekt deutlich kleiner. Lärm­rosen sind deshalb abstands­ab­hängig.

Aus­breitungs­situation

Die Schall­au­sbreitung hängt nicht nur von der Tem­peratur und dem Wind ab, sondern auch davon, in welcher Höhe sich die Quelle und der Em­pfänger relativ zum Erd­boden befinden: Es werden jeweils andere ‚Schall­strahlen‘ wirksam. Auch die Frequenz­zusammen­setzung des Ge­räuschs spielt eine Rolle. Die hier vorgestellten Lärm­rosen gelten für eine typische ortsfeste Industrie­quelle und einen Em­pfänger im 1. Obergeschoss sozusagen. Bei einer Wind­kraft­anlage wäre alles anders: da würde man mit einer Quell­höhe von um die 100 m oder mehr rechnen, was die Lärm­rosen stark verändern würde. Für die hier vor­ge­stellten Lärm­rosen wird folgendes Szenario zugrunde gelegt:
  • Quell­signal: rosa Rauschen 100 Hz bis 8 kHz
  • Quell­höhe: 4 m
  • Empfänger­höhe: 4 m
  • Luft­feuchtig­keit: 70%
  • Boden: Gras­boden
Natür­lich spielt auch der Boden eine Rolle, weil er Schall ab­sorbieren und je nach Boden­art unter­schiedlich reflek­tieren kann. Bezugs­schall­wetter
  • Wind­profil: konstant
  • Tem­peratur­profil: konstant
  • Krümmungs­radius: un­endlich (gerade Strahlen)
Es wurde oben schon erläutert, dass eine Lärm­rose relativ ist. Als Bezugs­schall­wetter wird die nicht-brechende Atmo­sphäre angenommen. Schall­wetter­prognose
  • Wind­profil: Profil­prognose
  • Tem­peratur­profil: Profil­prog­nose
  • Krümmungs­radius: bestimmt in einer Höhe von 100 m/(Ab­stand/5000 m)

An­wendung des Schall­wetters

Das Schall­wetter ist ein Werk­zeug

für die Im­missions­prognose

  • Be­rechnung von Lang­zeit­statistiken
  • Be­stimmung des cmet der DIN ISO 9613-2
  • und vieles mehr

für das Lärmmanagement

  • Steuerung des Betriebs einer Anlage (operative Lärm­minderung)
  • Be­schwerde­management
  • Be­urteilung der Wirk­samkeit von Schall­schutz­maß­nahmen im jähr­lichen Mittel

und natür­lich populär­wissen­schaftlich

  • Wetter­bericht mit Schall­wetter
  • Wind und Tem­peratur in größeren Höhen